Blogbeitrag von
Natalie Schrogl, Cassini Consulting
Natalie Schrogl
Management Consultant
Querschnittsfunktion Nachhaltigkeitsmanagement
Artikel

Querschnittsfunktion Nachhaltigkeitsmanagement

Die Anforderungen an nachhaltiges Wirtschaften steigen. Regulatorik, Kunden, Mitarbeitende, Investoren – sie alle wirken auf Unternehmen ein, Rechenschaft über das eigene Handeln abzulegen; sei es der ökologische Footprint, die soziale oder gesellschaftliche Verantwortung. Damit dies auch mit wirtschaftlichem Erfolg einhergeht, wird Nachhaltigkeit immer mehr zum Teil der Wertschöpfungskette. Um hier volle Wirkung zu entfalten, braucht es eine zentrale, koordinative und integrierende Kraft: das Nachhaltigkeitsmanagement.

Der folgende Artikel spannt den Bogen vom Skillset, über die Besetzung bin hin zu den To Do’s der ersten 100 Tage. Über die Buttons können Sie direkt ins Kapitel reinspringen.

Universaltalent Nachhaltigkeitsmanager:in

Nachhaltigkeitsmanager:innen sind sehr gefragt. Schließlich sollen sie mit Kompetenzen und Erfahrungen zielgerichtet und effektiv wirken und die gesamte Organisation mitnehmen. Welche Dimensionen zusammenfließen, macht das Cassini-Rollenmodell deutlich:

Cassini-Rollenmodell Nachhaltigkeitsmanager:in
  • In der Rolle des Leaders müssen Nachhaltigkeitsverantwortliche in der Lage sein, eine Vision von einem nachhaltig(er) agierenden Unternehmen zu entwickeln, die für interne und externe Stakeholder gleichermaßen attraktiv ist. Intrapreneurship ist ebenso gefragt, also die Fähigkeit, unternehmerisch zu denken und zu handeln und sich eigeninitiativ, lösungsorientiert und zupackend den anstehenden Problemstellungen zu widmen. Schließlich braucht es Begeisterungsfähigkeit, Überzeugungskraft und Resilienz, um Widerständen zu begegnen.
  • Expert: Um die Vision in eine konkrete Strategie und Ziele herunterzubrechen, braucht es das nötige Know-how. Hier fließen eine fundierte Ausbildung, aktuelles Wissen und idealerweise eine langjährige Erfahrung zusammen, um die Rolle auszukleiden. 
  • Nachhaltigkeitsmanager:innen müssen zugleich exzellente Change Agents sein. Da jeder Veränderung auch immer innere Beharrungskräfte entgegenwirken, sind ausgeprägte Erfahrung in der Begleitung von Veränderungen vonnöten. Beteiligte wollen gehört und in die Lösungsfindung eingebunden werden. Hier braucht es methodisches Geschick und Routine bei der Durchführung von Workshops und Dialogveranstaltungen. Nur so kann Nachhaltigkeit als Querschnittsaufgabe im Unternehmen orchestriert werden und durch alle Organisationseinheiten hindurch wirken. 

In allen drei Rollen gefordert ist zudem eine ausgeprägte Kommunikationsstärke. Die Freude am Austausch mit anderen, Aufgeschlossenheit gegenüber konträren Positionen ist genauso wichtig wie die Fähigkeit, den verschiedenen Anspruchsgruppen die Frage nach dem „What’s in it for me?“ überzeugend zu beantworten. Hierin stimmt das Cassini-Rollenmodell stark mit den Überlegungen von Uwe Schneidewind überein, der das Profil von Nachhaltigkeitsmanager:innen mit einem guten Mix von Haltung, Fähigkeiten und Wissen assoziiert. [1]

Nun ist die Verfügbarkeit an Talenten, die diesen komplexen Anforderungen gerecht werden können, gering – und sie verschärft sich mit den regulatorischen Anforderungen zunehmend. Was können Unternehmen also tun, um passgenau zu rekrutieren und Menschen dahin zu entwickeln, dass sie dem Rollenmodell entsprechen?

Das Staffing – intern, extern oder hybrid

Bevor Sie die Stelle eines/ einer Nachhaltigkeitsverantwortlichen ausschreiben, sollten Sie sich mit übergeordneten Zielen und Ihrer Kultur auseinandersetzen. Erst dann ist die Entscheidung für eine interne bzw. externe Besetzung oder ein hybrides Modell sinnvoll. 

Definieren Sie Ihr Ambitionsniveau
Am Anfang steht die Frage: Welches Ziel soll im Unternehmen erreicht werden und welches Ambitionsniveau zur nachhaltigen Ausrichtung streben wir an? Geht es hier nur um rechtliche Compliance, sind Unternehmen häufig mit einer temporären externen Unterstützung besser beraten. 

Reflektieren Sie Ihre Unternehmenskultur
Unternehmen, die mehr möchten, sollten sich fragen, wie viel sie in eine solche Position zu investieren bereit sind und ob es gelingen wird, Kandidat:innen für das Unternehmen zu begeistern.

Oft ist es so, dass gerade kleinere Unternehmen, die stark unter dem Eindruck der Krise stehen, Gehälter aufrufen, die eher Absolvent*innen ansprechen. Oft wird allerdings vergessen, ob die eigene Organisation die Strukturen aufweist, die es jungen Menschen ermöglicht, ein Thema mit Resonanz zu treiben. Ist dies nicht der Fall, sollte man von vornherein ehrlich zu sich sein und andere Wege finden.

Stichwort Investition: Es besteht Konsens darüber, dass Unternehmen, die sich strategisch im Thema Nachhaltigkeit aufstellen, im Vergleich zu Marktteilnehmern profitabler sind. So zeigt sich beispielsweise in einer Untersuchung der LBBW aus dem Jahr 2018, dass nachhaltige Konsumgüterhersteller gegenüber ihrem Wettbewerb über 2 % höhere EBITDA-Margen erzielen können.[2] Ihnen gelingt es z. B. nicht nur, Kosten zu sparen und innovativer zu sein, sie können auch Mitarbeitende langfristiger an sich binden und mehr Talente am Markt für sich gewinnen. 

Intern oder extern besetzen?
Ist Klarheit über das entsprechende Rollenprofil geschaffen, stellt sich die Frage nach dem Staffing. Unser Rat: Die richtige Haltung, die sich über ein starkes Leadership-Profil vermittelt, ist eine absolute Grundvoraussetzung für diese Rolle. Oft sind Leader mit dem richtigen ‚Cultural Fit‘ eher in den internen Reihen zu finden. Auch wenn hier noch bestehende Entwicklungschancen z. B. durch ein professionelles Coaching genutzt werden können, neigen Unternehmen tendenziell dazu, die Leadership-Fähigkeiten ihrer Mitarbeitenden zu überschätzen. Wer sich eine größere Absicherung wünscht, kann den Recruitingprozess durch bewährte Assessmenttools absichern oder im Interview einen größeren inhaltlichen Fokus auf das Führungsverständnis setzen. Sinnvoll ist auch die Frage, welches Vorgehen für die Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie gewählt würde. Hier sollte sich das Rollenverständnis als Change Agent glaubhaft vermitteln. 

  • Interne Besetzung
    Bei einer internen Besetzung ist das nachhaltigkeitsbezogene Fachwissen oft noch nicht stark ausgeprägt. Berufsbegleitende Fortbildungen (etwa ein Studium oder Kurse, wie sie über die IHKs angeboten werden) können helfen, im Thema anzukommen. Als interessanter Nebeneffekt kann auch oft ein Netzwerk mit anderen ‚Nachhaltigkeitsmanagern-in-Ausbildung‘ aufgebaut werden. So können gute Vorgehensweisen übernommen und das eigene Handeln reflektiert werden. Wenn Ziele schnell erreicht werden sollen, kann für eine Übergangszeit parallel eine externe Unterstützung angefordert werden. Ist auch dies keine Option, können Unternehmen die Stelle immer noch durch einen Interims-Nachhaltigkeitsmanager besetzen und sich parallel und ohne Druck weiter auf die Suche nach geeigneten Kandidaten machen. 
  • Externe Besetzung
    Kommt ein Nachhaltigkeitsmanager neu ins Unternehmen, hat sich ein Mentoring durch angesehenen und erfahrenen Kolleg:innen aus dem Unternehmen bewährt. Das unterstützt dabei, den Weg in die Organisation zu finden und ein Gespür für die Unternehmenspolitik zu entwickeln. Auch externes Coaching kann Nachhaltigkeitsmanagern helfen, gut im Unternehmen anzukommen.
  • Hybride Modelle
    Auch Teams können das Nachhaltigkeitsmanagement übernehmen. Immer wieder gibt es den Fall, dass Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten, diese Position als Shared-Job-Modell in Teilzeit ausfüllen – die Kombination aus Intrapreneuren und externen Fachexpert:innen ist hier recht naheliegend.

Welches Modell auch gewählt wird: Das Ankommen in dieser Querschnittsfunktion, die mit allen Unternehmensbereichen in gutem Dialog stehen muss, ist nie leicht. Aus diesem Grund bedarf es interner und externer Verbündeter (allen voran die Geschäftsführung), die die Transformation zu einem nachhaltigen bzw. nachhaltigeren Unternehmen begleiten.

Das Onboarding bei SALESIANER MIETTEX war perfekt, um schnell Fuß zu fassen. Eine Woche aktiv im Betrieb mitarbeiten bringt mehr Einblicke und Kontakte als sechs Monate Schulungen, Vorstellungsmarathons und Intranet-Kommunikation.

Dr. Mathias Nell, Nachhaltigkeitsmanager der SALESIANER Group

Onboarding und Kick-Start

Dieses Kapitel versteht sich als Empfehlung für eine erfolgreiche Antrittsphase eines/ einer Nachhaltigkeitsverantwortlichen und ist zugleich ein Appell an die Unternehmensführung, das organisatorische und kulturelle Feld für die neue Funktion zu bereiten. Ein wichtiger Indikator für die ersten 100 Tage ist und bleibt Performance. Um diese dauerhaft sicherzustellen, ist es für eine/n Nachhaltigkeitsmanager:in unerlässlich, sich ein gutes internes und externes Netzwerk aufzubauen. 

Wirken als Leader
Es gelingt weit einfacher, positiven Wandel zu bewirken, wenn man einen guten Kontakt zu den internen „Meinungsmachenden“ hat und ein stabiles System von Unterstützenden in anderen Organisationseinheiten für die gemeinsame Sache weiß. Auch der regelmäßige Austausch mit der Geschäftsführung muss sichergestellt sein. Kontakte zu anderen Unternehmen oder Nachhaltigkeitsverantwortlichen helfen, um aus den Erfahrungen Dritter zu lernen und Beispiele guter Praxis auf das eigene Unternehmen zu übertragen. Gerade im Austausch mit Führungskräften ist es wichtig, Erwartungshaltungen beidseitig zu klären. Nachhaltigkeitsmanager:innen sollten Awareness dafür schaffen, dass sie in erster Linie eines sind: Enabler, die das Potenzial, das die jeweilige Organisation an Wandlungsfähigkeit zu einem Mehr an Nachhaltigkeit in sich trägt, ausschöpfen und in planvolle und messbare Maßnahmen überführt. Insbesondere bei externer Besetzung der Position muss darauf geachtet werden, dass ein Verständnis für die spezifische Unternehmenskultur entwickelt wird. Gesucht werden keine Missionare, sondern dialogorientierte Möglichmacher, Menschen, die die Herausforderungen, die die Organisation im Kontext der Nachhaltigkeit sieht, verstehen und gemeinsam Lösungen entwickeln wollen. 

Wirken als Expert
Neben dem Ankommen in der neuen Rolle darf eine Analyse des Status quo nicht fehlen. Welche Programme und Guidelines existieren? Von welchen Gesetzen und Richtlinien ist das Unternehmen betroffen oder wird in naher Zukunft betroffen sein? Sind die spezifischen unternehmerischen Nachhaltigkeitsherausforderungen und die Abläufe innerhalb der Organisation grundsätzlich verstanden, ist es wichtig, ein positives Momentum zu schaffen und Quick-Wins zu identifizieren. Beispiele hierfür könnten ein Code-of-Conduct oder entsprechende Leitlinien sowie der Beitritt in einen industrienahen Verband sein, der sich für das Thema Nachhaltigkeit einsetzt. Zudem sollte mit der Entwicklung einer Nachhaltigkeitsvision bzw. -strategie begonnen werden, sofern diese noch nicht vorhanden sind. Dies kann – je nach Unternehmensgröße, Branche etc. – unterschiedlich viel Zeit in Anspruch nehmen, jedoch sollte unbedingt darauf geachtet werden, hier auch Mitarbeitende einzubeziehen. Vor allem die Führungsebene ist hier eine besonders wichtige Stakeholdergruppe.

Wirken als Change Agent
Falls sie noch nicht existiert, sollte eine Community aufgebaut werden, die daran interessiert ist, das Unternehmen nachhaltig(er) aufzustellen („Betroffene zu Beteiligten machen“). Des Weiteren hilft ein kurzes Trainingsformat für alle Mitarbeitenden, welches auf Unternehmen und Industrie zugeschnitten ist. So können die Awareness für das Thema gesteigert und sowohl das „Warum“ als auch das „Was springt für mich dabei heraus“ vermittelt werden.

Wirken als Kommunikator
Neben internen Verbündeten sollten auch die zentralen externen Anspruchsgruppen identifiziert und eingebunden werden. Hier gilt es herauszufinden, wie beispielsweise Kunden, Lieferanten oder auch wichtige regionale Akteure in puncto Nachhaltigkeit auf das Unternehmen schauen. Entsprechend zusammengesetzte Fokusgruppen können Ansatzpunkte sein. Um in einen Austausch mit externen Verbündeten zu kommen, haben sich neben Interviews auch innovative Formate wie Kundenarenen oder World Cafés bewährt gemacht. Dr. Mathias Nell weiß: „Wer glaubt, dass alle nur auf einen gewartet haben, irrt. Sich und seine Aufgabe erklären, den Mehrwert deutlich machen und schnell Probleme für und mit anderen lösen, das ist aus meiner Sicht essenziell.“

Fazit

Um Nachhaltigkeit erfolgreich in Organisationen zu verankern, ist es notwendig, dass ein Rahmen vorhanden ist, in dem Menschen gut zusammenarbeiten. Menschen mit verschiedenen Erfahrungshintergründen und Einstellungen, die aktiv in die Strategieentwicklung und -umsetzung eingebunden sind sowie Austausch und Wertschätzung erfahren. Die Rolle eines Nachhaltigkeitsmanagers/ einer Nachhaltigkeitsmanagerin gilt es, voll auszuspielen. Wer dies als Unternehmen versteht, wird nicht nur effektiver die gesteckten Nachhaltigkeitsziele erreichen und dazu transparent kommunizieren können. Ein gutes Nachhaltigkeitsmanagement unterstützt Sie beim Wandel zu einem erfolgreichen, nachhaltigen Geschäftsmodell.

[1] Die große Transformation – Eine Einführung in die Kunst des gesellschaftlichen Wandels, 2018, S. 462.
[2] Bundschuh, C.; Dresp, M. & Emunds, P. (2018): Nachhaltigkeit lohnt sich – Gesellschaft und Unternehmen im Wandel, Stuttgart: LBBW-Research, S. 19.