Internationale Fallstudie

Digitalisierung als Hebel der Nachhaltigkeitstransformation

Neben der zunehmenden Digitalisierung in allen Lebensbereichen steht das Thema Nachhaltigkeit im Fokus der öffentlichen Debatte. Digitalisierung und Nachhaltigkeit „gemeinsam zu denken“, ist eine wesentliche Herausforderung unserer Zeit. In enger Zusammenarbeit mit dem Centre for Digital Governance der Hertie School haben wir die Schnittstelle von Nachhaltigkeit und Digitalisierung im Kontext der öffentlichen Verwaltung untersucht, dabei Erkenntnisse aus internationalen Leuchtturmprojekten gesammelt sowie in Gesprächen mit Expert:innen aus den Projekten und der Bundesverwaltung vertieft. Auf diesem Wege konnten wir Handlungsempfehlungen zur Nutzung von Digitalisierung für Nachhaltigkeit in der deutschen Bundesverwaltung ableiten. Aus diversen Gesprächen mit den Expert:innen wissen wir: Die Bundesverwaltung setzt in ihrer Vorreiterrolle bereits erste Impulse, kann vorhandene Stärken und bestehende Strukturen jedoch ausbauen und gleichzeitig neue Initiativen an der Schnittstelle von Digitalisierung und Nachhaltigkeit vorantreiben.

Über die Studie

Die vorliegende Studie setzt an der Schnittstelle von ökologischer Nachhaltigkeit und Digitalisierung an und orientiert sich an der Leitfrage: „Wie kann Digitalisierung gezielt zur Förderung von Nachhaltigkeit eingesetzt werden?“ Hierfür haben wir sechs internationale Fallbeispiele aus dem öffentlichen Sektor an der Schnittstelle von Digitalisierung und Nachhaltigkeit identifiziert und auf ableitbare Impulse für die deutsche Bundesverwaltung analysiert. Sie veranschaulichen, dass Digitalisierung als Hebel in der Nachhaltigkeitstransformation vielfältig genutzt werden kann. Eine Gegenüberstellung der Erkenntnisse mit dem Status quo in der Bundesverwaltung zeigt, dass diese die Relevanz und Vielfältigkeit des Themenkomplexes Nachhaltigkeit durch Digitalisierung erkannt hat, allerdings können bestehende Bemühungen durch die Impulse aus den internationalen Leuchtturmprojekten weiterentwickelt werden.

Internationale Leuchtturmprojekte

Wir haben sechs europäische Projekte ausgewählt und herausgearbeitet, wie sie Nachhaltigkeit durch Digitalisierung fördern und welche Erfolgsfaktoren entscheidend sind. Abschließend werden für die Bundesverwaltung nachnutzbare Impulse aufgelistet.

Praxisbeispiel Großbritannien
STAR hat ein klares und starkes Mandat zur Steuerung von Nachhaltigkeits- und Digitalisierungsinitiativen in allen Regierungsstellen: Das Sustainable Technology Advice and Reporting Team (STAR­Team) des britischen Central Digital and Data Office koordiniert die regierungsübergreifende Berichterstattung an der Schnittstelle von Digitalisierung und Nachhaltigkeit mit dem Ziel, den CO2­-Ausstoß der britischen Regierung zu minimieren.
Praxisbeispiel Großbritannien
Ein einheitlicher strategischer Rahmen für Digitalisierungs- und Nachhaltigkeitsmaßnahmen im Verteidigungsministerium: Die Strategie für nachhaltige digitale Technologien und Dienste (Sustainable Digital Technology and Services Strategic Approach, kurz SDTS) aus dem Jahr 2021 legt die digitalen Nachhaltigkeitsziele des britischen Verteidigungsministeriums fest. Die SDTS verknüpft digitale Resilienz mit dem Ziel eines emissionsfreien Ministeriums. [Foto 14446615 © Basphoto | Dreamstime.com]
Praxisbeispiel Österreich
Das City Intelligence Lab vereint Klimawissenschaft mit künstlicher Intelligenz (KI) und Städteplanung: Mit dem auf einem KI-Ansatz beruhenden City Intelligence Lab (CIL) werden Ansätze entwickelt, wie Städte auf klimawandelbedingte Veränderungen reagieren können. Das CIL ist eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung des Center for Energy am Austrian Institute of Technology (AIT). Unter Nutzung von Augmented Reality und KI betrachtet das Labor Städte in verschiedenen klimatischen Szenarien und modernisiert hiermit die zukünftige Städteplanung.
Praxisbeispiel Schottland
Scotland’s Environment Web and Maps ist das Zugangstor für Umweltdaten in Schottland: Die Plattform Scotland’s Environment Web ist eine der ersten Open-­Data­-Initiativen im Umweltbereich. Sie wurde bereits im Jahr 2010 von Schottlands Umweltschutzbehörde (Scottish Environment Protection Agency, kurz SEPA) ins Leben gerufen. Mit ihren einfach zugänglichen digitalen Umweltkarten ist die Plattform „das Tor zu allem, was man über die Umwelt in Schottland wissen möchte“.
Praxisbeispiel Schweden
Vinnova unterstützt Schweden auf dem Weg in eine digitale und nachhaltige Zukunft: Vinnova ist eine dem schwedischen Wirtschafts­ und Innovationsministerium nachgeordnete Innovationsagentur, deren Ziel die nachhaltige Förderung der Innovationskraft des Landes darstellt. Vinnova setzt Nachhaltigkeit in das Zentrum der Förderungskriterien.
Praxisbeispiel Dänemark
State of Green ermöglicht die grenzüberschreitende Nachnutzung nachhaltiger Lösungen: Die digitale Plattform State of Green ist ein One-Stop-­Shop für über 600 dänische Unternehmen, Agenturen, akademische Institutionen sowie Expert:innen mit Lösungen und Wissen aus dem Bereich Nachhaltigkeit. State of Green wird beidseitig von der Privatwirtschaft als auch von drei kooperierenden Ministerien (Ministerium für Industrie, Wirtschaft und Finanzen, Ministerium für Klima und Energie sowie das Umweltministerium) finanziert. Daher kann die Plattform auch als neutrales Bindeglied zwischen beiden Akteursgruppen auftreten.

Status quo in der Bundesverwaltung 

Erfahrungsberichte aus der Bundesverwaltung legen nahe, dass der Bund die Relevanz des Zusammenspiels von Nachhaltigkeitsvorhaben und Digitalisierung erkannt hat. Zum einen besteht kein Mangel an rahmengebenden Dokumenten mit Digitalisierungs- und Nachhaltigkeitskomponente und zum anderen gibt es erste Vorhaben, die beiden Themenbereiche miteinander zu verknüpfen. Nichtsdestotrotz wird die politische Gestaltung von Digitalisierung und Nachhaltigkeit in den Ressorts noch hauptsächlich in Silos gedacht. Es fehlt der Bundesverwaltung an einer verknüpfenden und verbindlichen Strategie mit definierten Zielen, Maßnahmen und Verantwortlichkeiten. Digitalstrategien und Nachhaltigkeitsstrategien sowie darunter liegende Vorhaben und Zusammenarbeitsmodelle stehen bislang nebeneinander. Das bedeutet auch, dass die ressortübergreifende Koordination von Vorhaben fehlt. Innerhalb der diversen Konzepte und Strategien zu Nachhaltigkeit und Digitalisierung scheint ebenso datenbasiertes, mess- und belegbares Handeln nicht ausreichend forciert zu werden.

Management Summary

Aus der Betrachtung der internationalen Leuchtturmprojekte unter Berücksichtigung des Status quo in der deutschen Bundesverwaltung lassen sich folgende Handlungsempfehlungen für diese ableiten:

  • Um Nachhaltigkeit durch Digitalisierung zu fördern, müssen beide Themenkomplexe über gängige ministerielle Grenzen hinweg bearbeitet, in einem ressortübergreifenden Programm verankert und nachgehalten werden.
  • Die komplexe Schnittstelle von Digitalisierung und Nachhaltigkeit verlangt nach einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen Sektor und Innovationstreibern aus Wissenschaft und Privatwirtschaft.
  • Aufgrund der Dringlichkeit von Entscheidungen bei Nachhaltigkeitsvorhaben sollten diese datenbasiert getroffen werden, um so zu einem schnel­leren, validierten Konsens zu kommen. Grundlage für datenbasierte Entscheidungen ist die Aktualität von Daten in Echtzeit sowie eine nutzungsfreund­liche Aufbereitung großer Datenmengen.
  • Digitalisierung und Nachhaltigkeit gemeinsam zu denken, erfordert an vielen Stellen die Einführung neuer bzw. die Transformation bestehender Prozesse. Dabei sollte der Nachhaltigkeitsaspekt von Beginn an Berücksichtigung finden und im Sinne der rasant fortschreitenden Entwicklungen Raum für Flexibilität in der Umsetzung gewährt werden.

Wir bedanken uns auf diesem Weg vielmals bei allen Interviewpartner:innen verschiedenster Bundesbehörden sowie den Vertreter:innen der Leuchtturmprojekte, ohne die der profunde Ergebnisgewinn dieser Studie nicht möglich gewesen wäre, u.a. bei:

  • Dr. René Birkner, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz
  • Dr. Mirko Paschke, Bundesministerium für Digitales und Verkehr
  • Dr. Daniel Nitsch, Rochus Graf von Strachwitz und Brigadegeneral Frank Pieper, Bundesministerium der Verteidigung
  • Dr. Marcel Dorsch, Umweltbundesamt
  • Yasmina Alaoui, Rat für Nachhaltige Entwicklung

Ein besonderer Dank geht auch an Prof. Dr. Gerhard Hammerschmid, Director Centre for Digital Governance der Hertie School, für die gemeinsame Arbeit an der Fallstudie. 

Podcast zu den Ergebnissen der Studie

David Wichmann und Sarah Bahle stellen die Ergebnisse und wichtigsten Learnings der Studie im Podcast vor.

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