In einer Welt des Überflusses ist nur noch gefragt, was knapp verfügbar ist

Exklusivität als Verkaufserlebnis

In unserem Auftaktartikel haben wir bereits beschrieben, dass sich aktuell eine Art Entfremdung im Hinblick auf Online-Shopping abzeichnet. Ein möglicher Grund dafür ist ein Überdruss bei Kunden aufgrund der schier unendlichen Anzahl an Möglichkeiten und der Bequemlichkeit des Online-Einkaufs. Was nunmehr fehlt, ist der Emotionsfaktor beim Einkaufen und auch die haptischen Möglichkeiten durch Anfassen und Ausprobieren. Und: Ist ein Produkt online bei einem Anbieter ausverkauft, ist die Konkurrenz nur einen Klick weit entfernt. Das Bedürfnis nach Konsum wird durch diese Form des bequemen Einkaufens jedoch keineswegs befriedigt. Exklusive Artikel oder auch solche aus Kollaborationen mit anderen Marken, die in sogenannten „Drops“, d. h. in einer strengen Limitierung auf den Markt kommen, wecken ein starkes Bedürfnis, dieses Produkt besitzen zu wollen. Das bestellte T-Shirt ist dann nicht nur ein weiteres Kleidungsstück, das sich zu den anderen 20 in den Schrank gesellt, sondern es ist Ausdruck eines Sieges über die Konkurrenzkäufer, die das Produkt ebenfalls besitzen wollten. Mehr als es ein Stück Stoff vermag, gibt es uns die Freude und Emotionalität beim Einkaufen und Tragen des Produkts zurück.

In 3-Klicks-zum-Checkout? Heute kaum noch der Rede wert.

Fashion ist ein Markt mit einem riesigen Volumen, welches aber noch lange nicht ausgeschöpft ist. Allein in Deutschland wird der eCommerce Umsatz von Fashionartikeln im Jahr 2021 auf über 22 Milliarden € geschätzt. Voraussichtlich wird sich dieser Umsatz bis 2025 noch auf über 25,5 Milliarden € steigern.(1) Wir haben bereits zum Auftakt unserer Artikelserie „brands and experience“ einen Erfahrungsbericht veröffentlicht, der sich mit der Entfremdung von Online-Shopping beschäftigt. In 3-Klicks-zum-Checkout erfreut die wenigstens von uns noch so sehr, wie es vor Jahren einmal der Fall gewesen sein mag. Der Online-Einkauf ist durchaus bequem. Viele Konsumenten hegen jedoch nach wie vor den Wunsch nach einem klassischen Einkaufsbummel in der Innenstadt, bei dem Sie neue Kleidung anfassen und anprobieren können und im Zweifel lieber zu wenig als zu viel Auswahl haben. Im zweiten Teil unserer Artikelserie haben wir uns zudem mit dem Verkaufserlebnis beim Einkaufen befasst. Im Detail ging es darum, wie das Einkaufen in Online- und Offline-Geschäften erlebt wird und wie sehr der Erlebnisfaktor hier im Vordergrund steht.

Geschäft mit exklusiver Kleidung bildet neue Industrie des Weiterverkaufs

Ein weiterer Faktor, der aus unserer Sicht ein positives Erlebnis beschert, ist die Exklusivität von Ware. Exklusivität bezieht sich hierbei weniger auf den Preis als auf die Limitierung von einzelnen Artikeln. Die Modeindustrie hat es in den letzten Jahren bereits vorgemacht und viele neue Produkte mit starker Limitierung auf den Markt gebracht. Das Geschäft mit exklusiver Kleidung ist so groß geworden, dass sich eine neue Industrie des Weiterverkaufs gebildet hat. Laut eigener Analyse geht die Weiterverkaufs-Plattform StockX davon aus, dass der globale Markt des Weiterverkaufs von Sneakern bis 2030 ein Volumen von 30 Milliarden Dollar erreichen wird (StockX Snapshot: Resale is a Global Game). Viele der beliebten Sneaker und Kleidungsstücke wurden im Rahmen von „Seasonal Drops“ oder „Kollaborationen“ von bekannten Marken und Designern an den Konsumenten gebracht.

Über gewollte und gezielte Limitierung

Die Limitierung von Artikeln findet in gewisser Weise immer statt. Entweder aufgrund der Produktionskapazitäten oder aufgrund einer bewussten Entscheidung, das gesamte Umsatzpotential eines Artikels nicht vollends auszuschöpfen, sondern von vornherein nur eine kleine Menge zu produzieren und auf den Markt zu bringen. Das kann zum einen an der Kalkulation des unternehmerischen Risikos liegen, zum anderen wird die Verknappung aber auch gerne als Instrument eingesetzt, um Interesse zu wecken. Sozialwissenschaftliche Forschungen belegen eindeutig, dass eine wahrgenommene Knappheit Auswirkungen auf die Attraktivität von Produkten und damit auch auf das verbundene Kaufverhalten hat. Aus psychologischer Sicht lässt sich das wie folgt erklären: Möglichkeiten erscheinen uns umso wertvoller, je schwieriger sie zu erreichen sind. Wird uns nun vermittelt, dass ein Produkt nur noch in geringer Stückzahl vorrätig ist, verstärkt es den Haben-Wollen-Effekt und die unterschwellige Angst, eine Chance zu verpassen. Hierbei spielt es in erster Linie keine Rolle, ob das Produkt tatsächlich limitiert ist, oder ob mittels künstlicher Verknappung nur eine Limitierung vorgetäuscht wird. In der Konsequenz bedeutet das Vermitteln einer künstlichen Limitierung jedoch, dass die Steigerung der Markenbeliebtheit sowie erfolgreiche Absatzchancen für Folgeprodukte ausbleiben und nur ein kurzer, nicht nachhaltiger Effekt auf die Verkäufe des Produkts erzielt wird.

Ein Produkt, das limitiert auf den Markt kam, war der Adidas Yeezy. 2014 verließ US-Rapper Kanye West das Unternehmen Nike, um mit dessen Konkurrenten Adidas zu kooperieren. Gemeinsam riefen Adidas und West die Adidas Yeezy-Reihe ins Leben, die sich von Beginn an großer Beliebtheit erfreute. Am 23. Februar 2015 erschien der erste Adidas Yeezy Boost 750 zu einem damaligen Preis von 350$ - mit strenger Limitierung. Diese war so stark, dass ein heutiger Verkauf des Sneakers ca. 2.000$ einbringen würde.

Designer wird „Kreativberater“ für Mineralwassermarke

Neben der gezielten Limitierung von Produkten ist die Partnerschaft von Adidas und Multitalent Kanye West auch ein hervorragendes Beispiel für eine gelungene Kollaboration. Erst die prestigeträchtige Liason ermöglichte die Geburt eines Produktes aus zwei verschiedenen Welten. Doch Yeezy ist bei weitem kein Einzelfall. Große Retailer wie Aldi oder Lidl kollaborieren mit Mode-Ikonen wie Wolfgang Joop oder Halle Berry. Mineralwasser-Hersteller Evian holte sich mit Wunderkind Virgil Abloh, Geschäftsführer der Modemarke Off-White und Art Director von Louis Vuitton, einen Kreativberater an die Hand, um  die kreativen Prozesse im Unternehmen zu verwandeln und Lösungen für eine umweltfreundliche Zukunft zu finden. Heraus kam 2018 die „One Drop Can Make a Rainbow“- Flaschenkollektion, das aktuelle Projekt „Active Movement“ sowie eine wiederbefüllbare, nachhaltige Wasserflasche in Kooperation mit Soma®. Viele Kollaborationen, besonders von großen etablierten Marken, erzeugen große Aufmerksamkeit, die das Image der Marken positiv beeinflussen.

16 Sekunden bis zum Ausverkauf

Die Modebrache distanziert sich stetig vom klassischen Saisonkalender. Zum einen geht der Trend stark in Richtung Zeitlosigkeit, zum anderen bringen Modeschöpferinnen und -schöpfer neue Designs anstelle von großen, saisonalen Kollektionen „tröpfchenweise“ zeitlich und mengenmäßig limitiert auf den Markt. Die Verkaufstaktik hinter einem Drop besteht darin, ein limitiertes Produkt oder eine limitierte Kollektion an ausgewählten On- und Offline-Standorten herauszubringen. Angekündigt werden die Drops auf den Social-Media-Kanälen der Marken: Wer nicht folgt, geht leer aus. Und selbst wer dranbleibt, hat denkbar schlechte Karten. Die RIMOWA-Kofferkollektion mit der Street Style Marke Supreme war binnen 16 Sekunden ausverkauft. Und das trotz eines stolzen Preises von 1.600 € .

Hier setzt auch die Ausgangsfrage an: Gelingt es Unternehmen, durch die Exklusivität eines Produkts, ein positives Verkaufserlebnis zu schaffen? Unsere Antwort darauf ist ein klares "Ja". Marketingstrategien wie Limitierung, Kollaborationen und Drops setzen an der Emotionalität des Käufers bzw. der Käuferin an. Es wird suggeriert, dass das Produkt einen großen Wert hat, der über den bezahlten Preis hinaus geht. Somit wird sich im Regelfall Freude und Stolz durch den Erwerb und Besitz eines limitierten und gehypten Gegenstands einstellen.

Zu beachten ist, dass der bloße  Einsatz von Marketingmaßnahmen wie Limitierung, Kollaborationen oder Drops keinen Erfolg garantieren kann, wenn das Produkt oder die Marke insgesamt Absatzschwierigkeiten hat. Selbst wenn die äußeren Bedingungen für eine erfolgreiche Kollaboration sprechen, ist es keine Garantie für Erfolg. So auch im Falle des Luxusbekleidungsunternehmens Balenciaga, das sich mit dem Schuhhersteller Crocs verbündete, um eine Luxusvariante der Kunststoffsandalen auf den Markt zu bringen. Während die 650 € teuren Schuhe in den USA noch vor dem Verkaufsstart ausverkauft waren, verstaubten die Schuhe hierzulande in den Regalen. Daher gilt es, bereits vor einer geplanten Kooperation ausreichend (Markt-)Recherche zu betreiben, damit die Kollaboration tatsächlich von Erfolg gekrönt wird.

Take-Away-Box

  • Die Limitierung von Artikeln macht Sinn, um einen „Hype“ zu kreieren - sollte aber stets zu dem Produkt und den Zielen der Marke passen.
  • Kollaborationen können attraktiv sein, allerdings ist zu beachten, dass beide Partner sowie das Produkt stimmig sind.
  • Ein Produkt, das gehypt wird, lässt sich gut durch Drops vermarkten.
  • Exklusivität ist eine Möglichkeit, dem Kunden ein positives Verkaufserlebnis zu verschaffen.

(1) https://de.statista.com/outlook/dmo/ecommerce/fashion/deutschland

Artikel von:
Morice Peltner, Senior Consultant, Cassini Consulting
Morice Peltner
Management Consultant
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